Vogalonga, Venedig

von

3.6. bis 7.6.2022

Zum dritten mal schon startete ein Team aus 10 Ruderinnen und Ruderern aus Radolfzell dieses Jahr nach Venedig zur Vogalonga! Nachdem dieses spektakuläre Ruderevent aufgrund der Coronapandemie zwei Jahre hintereinander nicht statt finden konnte, war die Resonanz mit 1800 angemeldeten Booten und mehr als 7000 Teilnehmenden in diesem Jahr riesig. Die Idee des nun schon zum 46. mal stattfindenden Ereignisses ist traditionell der Protest gegen die zunehmende Motorisierung und Verschmutzung der Lagune Venedigs.

Für die Vogalonga werden alljährlich am Pfingstsonntag die von den Vaporettos, Motorbooten und Wassertaxis benutzten Kanäle und Wasserstraßen für diese gesperrt. Ab 9 Uhr rollt dann die „lange Welle“ der international besetzten Ruderboote, Drachenboote, traditionelle venezianische Boote, Kajaks, Kanuten und sogar Stand-up Paddler nach dem Start vor dem Marktplatz auf dem 32 km langen Kurs um Burano, Murano und zuletzt durch den Canale Grande.

Zu 7 inzwischen Vogalonga-Erfahrenen ( Andrea, Charlotte, Ulli, Anke, Bernd, Friedrich und Rolf) mischten sich 3 mutige aber ruderkompetente Neuzugänge - Brigitte, Margarethe und Isabell). Schon die Anreise am Freitag verlief mittlerweile in liebgewonnenen Gewohnheiten: erster Stop beim Einsammeln von Ulli bei einer bekannten Radolfzeller Bäckerei, wo wir die Busfahrer gern beim ersten Gruppenfoto ärgern und uns mit Brezeln und Kaffees eindeckten, dann die traditionelle Pause kurz vor dem St. Bernardino-Tunnel, gefolgt von langen Autobahnkilometern durch Italien, teils begleitet durch wilde Gesänge im Auto, mit mehr oder weniger Staus und einer parallel zur Aussentemperatur konstant ansteigenden Vorfreude. Schliesslich die Ankunft am Fähranleger in Venedig, wo wir mit unserem langen Bootsanhänger erstaunlich problemlos auf den Lido di Venezia übersetzten. Das zweite mal schon waren wir in einem netten Hotel auf dem Lido untergebracht, in dem viele andere Rudergruppen ebenfalls übernachteten, da die Unterkunft nur wenige Minuten vom dortigen Ruderclub „Cannottieri Diadora“ entfernt liegt. Dort genossen wir nun schon zum zweiten mal den Luxus für einen nicht unerheblichen Betrag Vereinsmitglieder zu werden, wofür wir unsere Boote auch dort auf der Wiese lagern und zu Wasser lassen konnten. Begrüsst wurden wir dann auch mit einer Flasche Wein pro Person, von dessen Qualität wir uns zum Zeitpunkt des Berichts jedoch noch nicht überzeugen konnten.

Der anstrengende Tag endete mit einem leckeren Pizzaessen mit Meerblick bei angenehmer warmer Brise und Kurze-Hosen-Wetter bis in den späten Abend.

Der Samstag diente - ebenfalls bereits traditionell - zum Einrudern in den neuen Gewässern. Die diversen Wellen von allen Seiten und die Meeresströmung stellen ganz andere Herausforderungen dar - auch die Steuerfrauen und -männer sind vielmehr gefordert, den Bootsverkehr von vorne, hinten, rechts und links im Auge zu behalten. Ein zuverlässiges Beherrschen und Einhalten aller Ruderkommandos ist bei solchen Touren eine absolut notwendige Voraussetzung. Wir ruderten zur etwa 10 km entfernten Insel St. Erasmo, wo man in einer netten Taverne direkt am Sandstrand eine schöne Mittagspause einlegen kann. In diesem Jahr waren besonders viele respekteinflössende Riesenquallen unterwegs, die wir immer wieder aus dem Boot im Wasser neben uns schwimmen sahen und die unsere Badelust doch etwas bremste. Abends setzten wir noch nach Venedig über und genossen ein wenig das turbulente Leben, bestaunten die riesigen dort vor Anker liegenden Privatjachten und stärkten uns mit ausreichend Pasta für die Anstrengungen des morgigen Tages.

Der Pfingstsonntag, der Tag der Vogalonga begann sehr früh mit einem schnellen Hotelfrühstück zusammen mit vielen anderen Ruderkolleginnen und Kollegen, die Spannung, Aufregung und Vorfreude lag deutlich spürbar in der Luft! Die Ruderbeutel waren gepackt mit geschmierten Stullen, Energieriegeln, Blasensalbe, Sonnencreme und viel Flüssigkeit und so ging es schnell zum Bootsplatz des Rudervereins nebenan. Natürlich wollten alle so schnell als möglich aufs Wasser, um die vier Kilometer zum Markusplatz zu rudern, wo man noch ein wenig die Atmosphäre vor dem Start genießen wollte. Der Start der Vogalonga ist gleich der erste Höhepunkt des Tages - auf einen enormen Böllerschuss um Punkt 9 Uhr setzt sich das komplette Feld gleichzeitig unter Johlen, Singen, Trommeln und Lachen in Bewegung! Schon an den vielen verschiedenen Booten aus aller Herren Ländern, deren Besatzung oft liebevoll einheitlich gestaltete Kleidung oder gar Kostümierung trägt (optische und am besten auch kreative Einheitlichkeit ist ein absolutes „Muss“) kann man sich den ganzen Tag kaum satt sehen.

So mischten wir uns also unter das riesige Teilnehmendenfeld und begaben uns als Teil der „langen Welle“ bei herrlichem Wetter auf die Strecke. Unterwegs entdeckten wir auf den T-shirts der Besatzungen oft vertraute Vereinsnamen, zwischendurch rief es auch immer mal von rechts oder links - „Hallo Radolfzell“ und man traf sogar alte Bekannte in dem riesigen Gewühl. Gewühl - das ist ein Stichwort - es ist eng, an vielen Stellen sogar sehr eng, die Steuerfrauen und -männer waren permanent gefordert, die Boote vor und hinter dem eigenen im Blick zu halten und Rudertempo und Kurs ständig anzupassen. Stehen bleiben kann richtig unangenehm werden, denn dann läuft praktisch das ganze Feld in teilweise nicht unerheblichem Tempo auf und man kann nur hoffen dass die Hinterleute rechtzeitig abbremsen. Dennoch gab es keine nennenswerten Kollisionen und wir kamen unbeschadet bis zum unserem (auch schon traditionellen) Pausenplatz gegenüber der Insel Burano, wo wir nach 25 Kilometern erstmals die schmerzenden Gesäße lockern, die Energiereserven auffüllen und - natürlich völlig ungesehen - hinter dem niederen Gestrüpp andere Geschäfte verrichten konnte! Danach folgte ein rudertechnisch relativ entspanntes Stück, während dem allerdings die Mittagssonne gnadenlos auf uns herunterbrezelte!

So näherten wir uns mit gemischten Gefühlen dem spannenden Höhepunkt, den letzten Kilometern durch das Zentrum Venedigs selbst. Bevor man jedoch das erhabene und mit nichts zu vergleichende Gefühl erleben darf, ohne Motorboote durch den Canale Grande zu gleiten, müssen sich alle Boote durch ein enges Nadelöhr quetschen, den Kanal „Canareggio“, sowie eine Brücke namens „Tre Archi“. Fast eine geschlagene Stunde hingen wir mit diversen anderen großen und kleinen Booten in diesem Nadelöhr fest, es ging einen Meter vor, zwei zurück, manche Boote stellten sich quer, andere drückten uns weg, hielten sich fest, verhakten sich - hier ist wirklich maximale Geduld und Gelassenheit gefragt. Aber irgendwann schafften wir es bis kurz vor die Brückenbogen, wo dann zwei Taucher die Boote durch die Öffnung schoben. Ein Spektakel sondersgleichen, natürlich beobachtet von vielen Schaulustigen!

Belohnt wurden wir mit dem anschließenden „Schaulaufen“ durch den Canale Grande mit applaudierenden und jubelnden Menschen an den Ufern und dem riesigen Privileg, diesen leicht maroden Charme der Lagunenstadt aus einer solchen Perspektive erleben zu dürfen. Vorbei an all den historischen Gebäuden ruderten wir schließlich relativ entspannt durch die Rialtobrücke bis hin zum eigentlich Ziel, an dem alle Rudernden in ihren Booten sogar namentlich beglückwünscht wurden, welch ein großartiger Abschluss. Die Medaillen und Teilnahmezertifikate werden einem schließlich ins Boot geworfen, ebenfalls jede Menge stärkender Bananen und 30 Grad warmer Eistee, den wir dennoch in einem Zug leerten!

Erschöpft und glücklich gönnten wir uns eine letzte kleine Pause, bevor wir dann den Heimweg an „unseren“ Ruderclub antraten. Nachdem die Boote versorgt waren gönnten wir uns verschwitzt und sonnenverbrannt wie wir waren einen Belohnungs-Aperol Spritz, in der Bar um die Ecke. Dort erwarteten uns bereits fröhlich das nette Team der Australierinnen (alle über 60!), die mit einer organisierten Ruderreise nach Venedig gekommen waren und zwei Tage später nach London zum nächsten Ruderevent weiter reisten! Kurz darauf trafen die freundlichen älteren Herren aus Berlin ein und man erzälhte sich gegenseitig die kleineren und größeren Erlebnisse der Vogalonga!

Natürlich wurden die Eindrücke auch nochmal beim gemeinsamen Abendessen bei fast schon unangenehm-intensivem Jasminduft ausgetauscht. Die Erschöpfung des Tages war jedoch allen deutlich anzumerken und auch der Gleichgewichtssinn brauchte noch einige Stunden, um sich vom Seegang zu erholen. Wir ließen den Tag im Liegestuhl eines Strandrestaurants ausklingen, wo wir zufällig die Geburtstagsfeier der deutschen Wirtin Daniela miterleben durften - auch hier kann man nur wieder die Wahrheit des nicht mehr ganz genderkonformen Sprichworts unterstreichen: „Wenn einer eine Reise tut, dann kann er was erleben“!

Für den Montag hatten wir uns verschiedene Optionen überlegt. Nochmal eine kleine Rudertour zu unternehmen wurde mehrheitlich abgelehnt, so galt es erst mal, die „Reichenau“ und die „Radolfzell“ wieder auf den Hänger zu verladen. Die Fernsicht auf die Alpen war an diesem Tag gigantisch und es erwartete uns ein erneuter Hochsommertag. Am Steg legte gerade ein anderes Boot an und wir erkannten Ruderkolleginnen vom Verein See-mal-Rhein und aus Steckborn! Die Welt ist halt ein Dorf!

Wir entschieden uns für eine Fahrt nach Burano, die Insel, die durch ihre malerischen bunten Häuser bekannt ist. Wir gönnten uns einen faulen Tag, ließen uns durch die lebendigen Gassen treiben, die Damen probierten das eine oder andere neue italienische Oberteil an, ein Espresso hier, ein Souvenir dort, zwischendrin ein Eis und Zeit für viele schöne Fotos: Schliesslich durfte auch ein Spaziergang durch die engen Gassen von Venedig nicht fehlen und der fast-obligatorische Besuch des Marktplatzes.

Die Vogalonga war überall noch greifbar - viele Menschen trugen die T-shirts, die jeder Teilnehmende mit seiner Anmeldung bekommt, neben den Kanälen lagerten noch Boote und Kanus und auch das eine oder andere Ruderboot wagte sich noch in die wieder normal befahrenen Wasserstraßen.

Wir beendeten unsere gemeinsame Reise bei einem tollen Abschlussessen bei Daniela am Meer und schmiedeten bereits Pläne für die Ruderstrategie bei unserer nächsten Teilnahme 2024!!

Text: Anke
Photos: Ulli

 

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